Böden als CO₂-Speicher der Zukunft
Unter unseren Füßen liegt ein riesiger, lebendiger Speicher – ein Netzwerk aus Wurzeln, Mikroben und Humus, das CO₂ bindet. Gesunde Böden enthalten mehr Kohlenstoff als Atmosphäre und Vegetation zusammen und können – abhängig von Standort und Bewirtschaftung – zusätzliche Mengen aufnehmen.[1,2] Regenerative Landwirtschaft setzt hier an: Sie baut Bodenfruchtbarkeit auf, mindert Erosion und kann Netto-Zuwächse an Boden-C erreichen. Sie ist kein Ersatz für den Fossilausstieg, aber ein wichtiger Baustein im Klimaportfolio.[3]

Was ist regenerative Landwirtschaft und warum sind Böden so wichtig?

Regenerative Landwirtschaft ist kein einzelnes Verfahren, sondern ein Bündel praxisnaher Methoden mit dem Ziel, Bodenqualität, Biodiversität und Kohlenstoffbindung aktiv zu steigern – also nicht nur „nachhaltig“ zu bewahren, sondern regenerativ aufzubauen.[4]
Der Boden (v. a. die Bodenorganische Substanz) ist ein zentraler Kohlenstoffspeicher: ~1 500 Pg C.
Pg C steht für: Petagramm es ist die Kohlenstoffmenge im Boden dies ist in diesem Beispiel: 1,5×10151,5×1015Gramm Kohlenstoff die organisch im Oberboden (≈ 0–1 m) gespeichert ist. Und insgesamt ~2 500 Pg C in Böden (organisch + anorganisch) – damit ~3,2× der atmosphärischen C-Menge und ≈ 4× der biotischen Vegetationsspeicher.[1]

Intensive Bewirtschaftung (z. B. wiederholte Bodenbearbeitung, Drainage, Monokulturen) kann gespeicherten C freisetzen (Oxidation, Erosion, Mineralisierung).[2,5]
Historisch sind durch Ackerbau erhebliche SOC-Vorräte verloren gegangen. Global werden ~133 Pg C Verlust seit Beginn der Landwirtschaft geschätzt; häufige Richtwerte sprechen von ≈ 20–50 % Abreicherung in ehemals naturbelassenen Böden unter intensiver Nutzung (mit höheren Verlusten in Einzelfällen).[6–8]
Wie viel CO₂ kann durch regenerative Methoden gebunden werden?
Die Bandbreite hängt stark von Bodenart, Klima, Ausgangszustand und Maßnahme ab. Robust ist:
- Eine systematische Auswertung von 345 Messungen in Acker- und Weinbau zeigte signifikante Zuwächse der jährlichen C-Bindungsraten über sieben regenerative Praktiken.[9]
- Meta-Analysen und Modellierungen legen typisch zusätzliche ~0,2–0,6 t Kohlenstoff pro Hektar pro Jahr (≈ 0,7–2,2 t CO₂ ha⁻¹ a⁻¹) [10–12].
- Unter optimalen Kombinationen (z. B. Deckfrüchte + reduzierte Bodenbearbeitung + organische Zufuhr / Agroforst) sind höhere Raten möglich, bleiben aber standort- und zeitabhängig.[9–13]
- Für Deutschland zeigt eine BCG/NABU-Metastudie v. a. ökonomische Co-Benefits: ökologischer Nutzen (u. a. Wasser, Emissionen) ≈ 8,5 Mrd. € pro Jahr, betriebliche Gewinne können steigen.[14]
Wichtig: Böden besitzen eine begrenzte zusätzliche Speicher-Kapazität; mit zunehmender Annäherung an die mineralische Bindungs-„Sättigung“ verlangsamt sich der Zuwachs.[15]
Es gibt verschiedenen Praktiken der kohlenstoffbindenden Landwirtschaft, wie Reduced/No-Tillage, Zwischenfrüchte/Deckfrüchte, Organische Zufuhr (Kompost/Mulch/Mist), Agroforst/Hecken, Rotationsweide / Silvopasture, Biokohle (Biochar) oder Enhanced Weathering (Basalt).

Herausforderungen & Grenzen
- MRV (Messung/Verifikation): Direkte SOC-Messung ist aufwändig; EO/Satellit + Modelle + Bodendatenkönnen Monitoring auf Skala verbessern.[23]
- Sättigung & Reversibilität: Zuwächse nehmen ab; Dürre/Hitze können SOC-Gewinne umkehren. Für Australien zeigen Projektionen, dass Böden zukünftig netto emittieren könnten (unter bestimmten Szenarien).[24]
- Märkte & Finanzierung: Kohlenstoffmärkte für Böden sind im Aufbau; Qualitätssicherung (Permanenz, Zusatzlichkeit, Leakage) bleibt entscheidend.[3]
- Flächenkonkurrenzen: Nicht jede Fläche eignet sich für Umstellung bzw. alle Praktiken.
Positive Entwicklungen & Perspektiven
- EU-Politik: Das EESC fordert 2025, regenerative Ansätze in der EU-Politik stärker zu verankern; Soil-Monitoring & Carbon-Farming-Rahmen schreiten voran.[25,26]
- Skalierung via Fernerkundung: EU-Projekte wie AgriCapture setzen auf Satellitendaten für kosteneffiziente SOC-Initiativen (inkl. App-gestützter Probenahme).[27,28]
- Deutschland: Metastudien und Pilotprojekte weisen auf betriebswirtschaftliche Vorteile und Resilienzgewinnehin – bei gleichzeitiger Emissionsminderung.[14]
- Gesellschaft: Konsument:innen können Nachfrage nach regenerativen Produkten stärken; Politik und Unternehmen Anreize und Beratung skalieren.[3,14]
Abschließend
Regenerative Landwirtschaft bietet die Doppeldividende: Böden heilen und gleichzeitig CO₂ binden. Realistisch sind zusätzliche Raten von einigen 100 g bis wenigen t CO₂ ha⁻¹ a⁻¹, abhängig von Standort und Maßnahmenmix – kein Allheilmittel, aber hochrelevant für Klimaschutz, Ertragsstabilität und Biodiversität. Entscheidend sind kluge Kombinationen (z. B. Deckfrüchte + Residuen + reduzierte Bodenbearbeitung / Agroforst), verlässliches MRV und flankierende Politik.
Literatur
- Zomer RJ, Bossio DA, Sommer R, Verchot LV. Global Sequestration Potential of Increased Organic Carbon in Cropland Soils. S.
- IPCC. Climate Change and Land: Special Report (SRCCL). Geneva: IPCC; 2019. (esp. SPM & TS, soil carbon dynamics).
- IPCC. AR6 WGIII, Chapter 7 (AFOLU). 2022. (Mitigation potentials incl. soil carbon).
- Kurth T, Subei B, Plötner P, Krämer S. The Case for Regenerative Agriculture in Germany—And Beyond. BCG/NABU; 2023.
- Kirkels F, Cammeraat LH, Kuhn NJ. The fate of soil organic carbon upon erosion. Geomorphology. 2014;226:124–135.
- Sanderman J, Hengl T, Fiske GJ. Soil carbon debt of 12,000 years of human land use. Proc Natl Acad Sci USA. 2017;114(36):9575–9580.
- Lal R. Soil Carbon Sequestration Impacts on Global Climate Change and Food Security. Science. 2004;304(5677):1623–1627.
- McDermid SS, Mankin JS, et al. Soil Carbon Losses Reduce Soil Moisture…. Earth Interact. 2022;26(1):1–21. (überblickend, verweist auf Sanderman 2017).
- Villat J, Nicholas KA. Quantifying soil carbon sequestration from regenerative agricultural practices in crops and vineyards. Front Sustain Food Syst. 2024;8:1234108.
- Porwollik V, et al. The role of cover crops… Biogeosciences. 2021;19:957–980. (globale Medianraten ~0,5 t C ha⁻¹ a⁻¹).
- Joshi DR, et al. A global meta-analysis of cover crop response on soil carbon in corn systems. 2023 (Meta-Studie; ~0,2–0,9 t C ha⁻¹ a⁻¹).
- Paustian K, et al. Carbon Farming – Working Paper. Princeton; 2017. (Ø ~0,32 t C ha⁻¹ a⁻¹ mit Cover Crops).
- Lessmann M, et al. Global variation in soil carbon sequestration potential…. PNAS Nexus. 2021; (cropland management potentials, global).
- Kurth T, Subei B, Plötner P, Krämer S. The Case for Regenerative Agriculture in Germany—And Beyond. BCG/NABU; 2023. (ökologische Benefits ≈ 8,5 Mrd. € a⁻¹, p. 6).
- Georgiou K, et al. Global stocks and capacity of mineral-associated soil organic carbon. Nat Commun. 2022;13:3797. (Kapazitäts-/Sättigungs-Hinweise).
- Powlson DS, et al. Limited potential of no-till agriculture for climate change mitigation. Nat Clim Chang. 2014;4:678–683. (PDF review).
- Woolf D, Amonette JE, et al. Sustainable biochar to mitigate global climate change. Nat Commun. 2010;1:56.
- IPCC SRCCL SPM. 2019. (Biochar-Co-Benefits, Permanenz über Jahrhundert-Skalen).
- He Y, Trumbore S, et al. Effects of biochar on soil GHG fluxes: meta-analysis. GCB Bioenergy. 2017;9(4):743–755.
- Beerling DJ, et al. Enhanced weathering in the US Corn Belt delivers carbon removal with agronomic benefits. PNAS. 2024;121(12):e2319436121. (≈ 10,5 t CO₂ ha⁻¹ über 4 Jahre).
- University of Sheffield. Field trials reveal crushed rock boosts carbon removal… News, 26 Feb 2024. (≈ 3–4 t CO₂ ha⁻¹ a⁻¹).
- Beerling DJ, et al. Enhanced weathering… arXiv:2307.05343 (Langfassung; ≈ 15,4 ± 4,1 t CO₂ ha⁻¹ in 4 Jahren).
- van Wesemael B, et al. A European soil organic carbon monitoring system from Earth Observation. Geoderma. 2024;442:116850.
- Viscarra Rossel RA, et al. A warming climate will make Australian soil a net emitter of GHGs. Commun Earth Environ. 2024;5: (online).
- European Economic and Social Committee (EESC). Regenerative agriculture should anchor EU policies, 24 Jun 2025 (Opinion & News).
- Horizon Europe topic: Network on carbon farming for agricultural and forest soils. 2023–2025.
- AgriCaptureCO₂ (H2020 GA 101004282) – Projektseite. 2021–2023.
- CORDIS Result in Brief: Developing EO-powered services to promote soil carbon sequestration (AgriCapture), 2024.
Neueste Blog-Beiträge
Entdecken Sie hier die aktuellsten und spannendsten Artikel aus unserem Blog. Tauchen Sie ein in die Welt der Kommunikation und lassen Sie sich von unseren Fachexperten inspirieren.
-
Gemeinschaftsgärten fördern Artenvielfalt & soziale Bindung
Stell dir vor, du verlässt die Wohnung und stehst wenige Minuten später in einem…
-

🌍 Klimafreundlich kochen: Welche Herdart ist wirklich am effizientesten?
Ob im urbanen Loft oder in der kleinen Studentenwohnung – Kochen ist längst nicht…
-

Recycling im Onlinehandel – weniger Verpackung, mehr Mehrweg ♻️
Stell dir vor: Eine Bestellung trudelt in der Stadt ein, du packst sie aus…


Schreibe einen Kommentar