Stell dir vor, du verlässt die Wohnung und stehst wenige Minuten später in einem grünen Mikro-Ökosystem: Menschen bauen Gemüse an, teilen Saatgut, plaudern über Rezepte – und zwischen Beeten summen Wildbienen. Gemeinschaftsgärten sind genau solche Orte. Aus Forschungssicht sind sie mehr als „nette“ Nachbarschaftsprojekte: Studien zeigen positive Effekte auf soziale Kohäsion und naturbezogene Gesundheit sowie auf urbane Biodiversität – vor allem dort, wo Gärten blütenreich und strukturell vielfältig gestaltet sind.¹–⁴ Gleichzeitig wächst der Anteil der Stadtbevölkerung weiter (2024 rund 58 % weltweit; bis 2030 nahe 60 %) – urbanes Grün wird damit noch relevanter.⁵  Gemeinschaftsgärten sind also Oasen für Menschen und Artenvielfalt – wenn wir sie richtig planen und pflegen.

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Soziale Verbindungen: messbar, aber differenziert

Systematische Übersichten zeigen: Community-Gardening geht meist mit höherem Obst-/Gemüsekonsum, mehr Zugehörigkeitsgefühl, Austausch und Nachbarschaftskohäsion einher – die Evidenz für psychosoziale und Gemeinschafts-Outcomes ist überwiegend positiv, die für harte Gesundheits-Outcomes gemischt (und die Studienqualität teils moderat).¹  Eine aktuelle Übersichtsarbeit (2025) betont zusätzlich Resilienz- und Governance-Aspekte (z. B. Teilhabe, Zugang, lokale Politik).²  Meta-Reviews zu städtischem Grün weisen zudem auf Pfade wie „Place Attachment“, soziale Unterstützung und Empowerment hin, über die Aufenthalte in Gärten Gemeinschaft stärken.³

Takeaway: Gemeinschaftsgärten können soziale Bindungen fördern – als niedrigschwellige, wiederkehrende Kontaktpunkte. Ansprüche an Kausalität sollten aber realistisch bleiben (v. a. bei Gesundheitseffekten).¹,³

Artenvielfalt: lokale Gestaltung schlägt Umgebung

Für Bestäuber gilt: Blütenreichtum und Nistressourcen im Garten sind zentrale Hebel. In 33 Gemeinschaftsgärten in Berlin und München stieg die Bestäuber-Diversität mit der lokalen Blütenvielfalt; Landschaftskontext (z. B. Versiegelung im Umfeld) war weniger entscheidend.⁴  Bereits 2022 zeigte eine Studie in 18 Berliner Gärten: Vegetationskomplexität, offene Bodenstellen und Nistressourcen hingen positiv mit der taxonomischen und funktionellen Wildbienendiversität zusammen.⁶  Insgesamt bestätigt die Forschungslage: urbanes Grün – inklusive Gemeinschaftsgärten – kann wichtige Habitatfunktionen für Bestäuber erfüllen, wenn es strukturreich bewirtschaftet wird.⁷,⁸

Praxisbeispiel: Mischpflanzungen (Stauden, Kräuter, Blühstreifen), Totholz, offene Böden, kleine Wasserstellen und Verzicht auf Pestizide erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass Wildbienen, Schwebfliegen und Käfer Gärten als Trittsteine nutzen.⁶–⁸

Umwelt- und Klimanutzen: Chancen, aber „es kommt darauf an“

Community-Gardening wird oft mit „kurzen Wegen“ begründet. Neuere Life-Cycle-Assessments (LCA) zeigen jedoch ein heterogenes Bild: Je nach System dominieren die Umweltauswirkungen von Infrastruktur (z. B. Bewässerung, Substrate) oder Logistik; die Klimabilanz kann gut sein, muss es aber nicht – Design und Managemententscheiden.⁹,¹⁰  Gleichzeitig ist Community-Gardening Teil blau-grüner Infrastruktur: Reviews belegen Beiträge zu Starkregenrückhalt, Hitzeminderung und Biodiversität, sofern Flächen wasserdurchlässig und vielfältig bepflanzt sind.¹¹,¹³

Faustregel: Umweltvorteile steigen mit Regenwasser­nutzung, Kompost statt Torf, langlebiger/geringer Infrastruktur, saisonalem Anbau und Vermeidung unnötiger Transporte.⁹,¹¹

Ein realistischer Zusatzpunkt: Bodengesundheit prüfen

Eine neue Studie (2025) weist nach, dass Wildblumen auf ehemals industriellen Stadtflächen Schwermetalle aus dem Boden aufnehmen können; diese gelangen über den Nektar in Bestäuber – potenziell schädlich.¹⁴  Das heißt nicht, dass Wildblumen in Städten schlecht sind – die Autor*innen empfehlen Bodenchecks und ggf. Remediation (z. B. saubere Substrate, Hochbeete).¹⁴

Praxis: Vor dem Anlegen testen (Bodenproben), ggf. Hochbeete mit geprüfter Erde, staubarme Wege, Handschuhe – so verbinden Gärten Artenvielfalt mit Sicherheit.

So gestaltest du biodivers und sozial wirksam 🌱

  • Blütenreichtum & Staffelblüte (Frühjahr–Herbst): Kräuter (Thymian, Salbei), Wildstauden (Flockenblume), Einjährige (Ringelblume) → mehr Bestäuber-Arten.⁴,⁶,⁸
  • Strukturvielfalt: Totholz, Sandlinsen/offene Bodenstellen, Wildhecken, kleine Wasserstellen → Nistplätze und Mikrohabitate.⁶,⁸
  • Pestizidfrei & torffrei: fördert Nützlinge und reduziert Klima-/Bodenbelastung.⁶,⁹
  • Wasser klug nutzen: Regenwasserspeicher, Mulch, schattige Pflanzung → Resilienz gegen Hitze; Co-Benefit fürs Quartiersklima.¹¹,¹³
  • Gemeinschaft pflegen: regelmäßige Mitmach-Termine, Saatgut-Tausch, Erntefeste, inklusive Regeln → stärkere Kohäsion, niedrigere Zugangshürden.¹,³
  • Sicherheit: Bei Altflächen Boden testen; ggf. Hochbeete und sauberes Substrat verwenden.¹⁴

Positive Zukunftsperspektive

Da 2024 bereits rund 58 % der Weltbevölkerung in Städten leben (bis 2030 nahe 60 %),⁵ wächst die Bedeutung kleinräumiger, partizipativer Natur-Orte. Forschung und Praxis zeigen: Gut gestaltete Gemeinschaftsgärten können Biodiversität und soziale Bindung stärken – evidenzbasiert, skalierbar, gemeinschaftsgetrieben.²–⁸,¹¹–¹³ Wenn wir heute blütenreich, inklusiv und sicher planen, werden Gärten zu urbanen Mikro-Laboren für die nachhaltige Stadt von morgen.

Fazit

Gemeinschaftsgärten sind keine Romantik-Projekte, sondern wirksame Bausteine einer lebenswerten, klimaresilienten Stadt – wenn sie blüten- und strukturreich, pestizidfrei, wassersensibel und sozial offen betrieben werden. Die Evidenz spricht für mehr soziale Kohäsion und höhere Bestäuber-Diversität, während ökologische Gesamteffekte vom Design abhängen. Unser Auftrag: Wissen anwenden, Boden prüfen, Vielfalt pflanzen, Menschen verbinden. Fang heute an – dein Kiez merkt’s. 🌼

Literatur

  1. Hume C, Grieger JA, Kalamkarian A, D’Onise K, Smithers LG. Community gardens and their effects on diet, health, psychosocial and community outcomes: a systematic review. BMC Public Health. 2022;22:1247.  
  2. Huq FF, Ferdous N. A systematic review of community gardens and their role in urban food security and resilience. Discover Sustainability. 2025;5:1628.
  3. Jennings V, Bamkole O, Kwon GJ, Mincey S, Berisha V. The dynamic relationship between social cohesion and urban green spaces: a narrative review. Int J Environ Res Public Health. 2024;21(5).
  4. Sexton AN, Conitz F, Karlebowski S, Neumann AE, Schmack JM, Sturm U, et al. Urban pollinator communities are structured by local-scale garden features, not landscape context. Landscape Ecology. 2025;40:50.
  5. United Nations, Department of Economic and Social Affairs (UNDESA). World Population Prospects 2024 – Summary of Results. 2024.
  6. Felderhoff J, Egerer MH, Kowarik I, Sattler T, Weisser WW, Wurm L, et al. Vegetation complexity and nesting resources drive wild bee diversity in urban community gardens. Ecol Appl. 2022;32(8):e2759.
  7. Neumann AE, Hienerwadel M, Karlebowski S, Sturm U, Egerer M. Flower richness is key to pollinator abundance in urban community gardens. Basic Appl Ecol. 2024;74.
  8. Herrmann JD, Fartmann T, et al. The degree of urbanisation reduces wild bee and butterfly pollination in urban dry grasslands. Sci Rep. 2023;13:29275.
  9. Dorr E, Goldstein B, Aubry C, Gabrielle B, Horwath A. Life cycle assessment of eight urban farms and community gardens in France and California. Resour Conserv Recycl. 2023;192:106921.
  10. Milestad R, et al. Sustainability assessments of commercial urban agriculture: a review. Front Sustain Food Syst. 2024;8:1336395.   
  11. Wang D, Liu Q, Russo A. Urban green infrastructure: bridging biodiversity and sustainable urban development. Front Ecol Evol. 2024;12:1440477.
  12. Fereshtehpour M, et al. Urban stormwater resilience: global insights and strategies. Sustain Cities Soc. 2025.
  13. Knapik E, et al. Maintenance in sustainable stormwater management: barriers and opportunities. J Environ Plann Manag. 2024.
  14. Scott SB, Howard SR, Anderson JB, et al. Trace metals in nectar of important urban pollinator forage plants. Ecol Evol. 2025.

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