Wie Pflanzen und Pilze unterirdisch vernetzt sind
Unter der Erde bilden Pflanzenwurzeln und Pilze symbiotische Verbindungen (Mykorrhiza), die über 80 % aller Landpflanzen betreffen¹. Diese Pilzfäden (Hyphen) können Wurzeln verschiedener Pflanzen verbinden und sogenannte gemeinsame Mykorrhiza-Netzwerke (CMNs) bilden – oft als „Wood Wide Web“ bezeichnet.

In diesen Netzwerken tauschen Pflanzen und Pilze Ressourcen wie Kohlenstoff, Nährstoffe und Wasser aus. Zudem zeigen Studien, dass über CMNs auch Abwehrinformationen zirkulieren können²,³ – wobei neuere Arbeiten darauf hinweisen, dass eher „Mithören“ (Eavesdropping) statt altruistischem „Warnen“ plausibel ist⁴.
2. Was ist das „Wood Wide Web“?
- Symbiose & Tauschgeschäft: Pflanzen liefern Pilzen Zucker aus der Photosynthese; Pilze verbessern dafür die Aufnahme von Wasser und Mineralstoffen. Bei Phosphor kann der Pilzanteil am Pflanzenbedarf extrem hoch sein – teils bis zu 90 %¹.
- Unterirdische Vernetzung: Hyphen verbinden Wurzeln verschiedener Arten, Gattungen oder Familien und ermöglichen so Ressourcen- und Informationsflüsse².
3. Austausch von Kohlenstoff, Stickstoff und Wasser
- Kohlenstoff (C): ¹³CO₂-Markierungen belegen den Transfer von Kohlenstoff zwischen Baumarten (z. B. Kiefer ↔ Eiche; Birke ↔ Douglasie). In einem Experiment erreichte markierter Kohlenstoff die Baumwurzeln binnen 4 Tagen und wurde an Nachbarn weitergegeben²,⁵. Die ökologische Bedeutung hängt jedoch stark vom Kontext ab.
- Stickstoff (N): ¹⁵N-Tracerstudien zeigen, dass 21–65 % des applizierten ¹⁵N beim Empfänger ankommen können (kontrollierte Root-Box-Experimente)⁶.
- Wasser: In Mikrokosmen erklärten AMF-Hyphen rund 35 % der transpirierten Wassermenge eines Wirts, indem Wasser über Hyphen transportiert wurde⁷. Weitere Arbeiten zeigen hydraulische Umverteilung, Feldnachweise sind jedoch schwieriger.
4. „Warnungen“ und Abwehr
- Kurzfristige Signalübertragung: In einem Tomaten-Modellsystem führte Insektenbefall des „Spenders“ dazu, dass nach 6 Stunden beim „Empfänger“ Abwehrgene hochreguliert wurden. Das Gewicht der Schadraupen halbierte sich nahezu³.
- Aktueller Forschungsstand: Modellierungen legen nahe, dass altruistisches Warnen evolutiv unwahrscheinlich ist. Plausibler ist unfreiwilliges Signalabfangen („Eavesdropping“) oder Pilz-gesteuerte Informationsweitergabe⁴.
5. „Mutterbäume“, Kooperation & Konkurrenz
- Unterstützung möglich: CMNs können das Überleben junger Sämlinge verbessern, etwa unter Dürrebedingungen (z. B. Douglasie)².
- Aber: Eine generelle „Mutterbaum“-Theorie mit einseitig altruistischem C-Transfer wird kritisch gesehen. Analysen betonen, dass Kontext zählt (Art, Verwandtschaft, Ressourcengradienten)⁴.
- Kontroverse: Eine aktuelle Perspektive warnt vor Überinterpretationen und fordert strengere Versuchskontrollen (z. B. Mesh-Barrieren, Ausschluss passiver Diffusion)⁴.
6. Bedeutung für Wälder, Resilienz & Klima
- Dürre-Resilienz: Meta-Analysen zeigen bei Mykorrhiza-Inokulation im Mittel ~49 % mehr Wachstum unter Dürrebedingungen⁸.
- Kohlenstoffspeicher: ECM-dominierte Systeme enthalten global ~70 % mehr Bodenkohlenstoff je N-Einheitals AM-dominierte Systeme⁹.
- C-Fluss: Pflanzen allokieren jährlich geschätzt ~3,93 Gt CO₂e (AMF) und ~9,07 Gt CO₂e (ECM) an Pilzmyzel – ein erheblicher globaler Kohlenstofffluss¹⁰.
- Take-away: Das „Wood Wide Web“ ist real, aber kein reines „Hilfsnetz“. Es umfasst Kooperation und Konkurrenz, wobei Pflanzen und Pilze jeweils eigene Vorteile optimieren.
7. Fazit
Das „Wood Wide Web“ beschreibt reale unterirdische Netzwerke, über die Pflanzen und Pilze Ressourcen und Informationen austauschen. C- und N-Transfers sind experimentell belegt, Wassertransport über Hyphen wurde im Labor quantifiziert⁷. Abwehrsignale wirken nachweislich³, auch wenn altruistisches Warnen kritisch diskutiert wird⁴.
Resilienzgewinne (z. B. unter Dürre) sind vielfach nachgewiesen⁸, ihre Relevanz im Wald bleibt kontextabhängig. Für den Klimaschutz ist der mykorrhizale C-Fluss bedeutsam¹⁰. Kurz: Das Wood Wide Web ist komplex – faszinierend und vielschichtig, aber es verlangt eine nüchterne Interpretation der Evidenz.
📚 Literaturverzeichnis
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